Familienplanung vor und nach bariatrischer Chirurgie

Viele Frauen im gebärfähigen Alter stellen sich die Frage: Soll ich mich um mein Übergewicht kümmern oder will ich jetzt eine Familie planen? Oft jedoch verläuft eine Schwangerschaft nicht so wie geplant und wie man diese sich wünscht. Speziell bei übergewichtigen Frauen ist schwanger werden oft nicht einfach: Das Übergewicht verursacht einen hormonellen Zustand im Körper, welcher eine Befruchtung und dann Einnistung der Eizelle nicht zulässt.

Wir haben viele Patientinnen, die erst nach einer Magenbypass- oder Schlauchmagen-Operation schwanger wurden. Und hier gilt zu beachten, dass man zuerst mindestens 18-24 Monate bis nach der Übergewichtsoperation warten sollte, bevor man den Kinderwunsch in Angriff nimmt. Der Grund dafür ist, dass in dieser Phase der Körper viel Gewicht verliert und dabei auch ein vorübergehender Protein- und Vitaminmangel aktiv ausgeglichen werden muss. Obwohl eine Schwangerschaft in dieser Phase grundsätzlich möglich ist, bedeutet es weniger Risiko für Mutter und Fötus, die Zeit abzuwarten. Normalgewichtige Frauen haben weniger Probleme in der Schwangerschaft (Schwangerschafts-Diabetes, Bluthochdruck) als übergewichtige Frauen. Weiters ist auch bei übergewichtigen Frauen das Risiko für den Fötus höher, die Wahrscheinlichkeit von Missbildungen und Fehlgeburten steigt an. Auch ist die Geburt komplikationsreicher beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit höher, dass ein Kaiserschnitt notwendig wird. Von einer Hausgeburt ist bei schwer übergewichtigen Frauen unbedingt abzuraten. Jede Schwangerschaft bei Frauen mit Body Mass Index über 30 kg/m2 gilt als Risikoschwangerschaft und die Geburt muss im Operationssaal stattfinden.

Sobald der Schwangerschaftstest positiv ist, sollten sich Frauen nach einer Übergewichtsoperation bei ihrem behandelnden Arzt melden. Im Fall von Patienten der swiss1chirurgie Praxis in unserem Zentrum für bariatrische Chirurgie (www.zfbc.ch). Dort wird durch erfahrene Ärztinnen nach Abklärung (Laboruntersuchung) der Vitaminbedarf, Mineralbedarf sowie Proteinbedarf festgelegt. Mit Hilfe von Ernährungsberaterinnen der Klinik Beau-Site Hirslanden wird in unserem Zentrum die richtige Ernährungsstrategie festgelegt. Auch die Chirurgen der swiss1chirurgie Praxis (Dr. Zehetner und Dr. Steffen) werden informiert. Sollten unerwartet Bauchschmerzen auftreten, ist eine frühzeitige Kontrolle bei einem erfahrenen Übergewichtschirurgen notwendig. Es gibt nämlich je nach bariatrischer Operation verschiedene Risiken während der Schwangerschaft. Bei einem Schlauchmagen sind Reflux-Beschwerden wie saures Aufstossen und Magenbrennen verstärkt. Bei Patientinnen mit einem Magenband kann in der Phase am Beginn mit Übelkeit und Erbrechen (in der Regel bis zur 12. Schwangerschafts-Woche) das Magenband verrutschen oder verkippen. Hier sollte frühzeitig das Band etwas entlastet werden. Bei Patientinnen mit Magenbypass sollten Bauchschmerzen frühzeitig mit dem versierten Chirurgen und nicht nur mit dem behandelnden Gynäkologen besprochen werden.

Bei einem Magenbypass besteht ein gewisses Risiko, dass sich Darmschlingen verdrehen könnten. Daher wird derzeit auch bei jungen Patientinnen eher der Schlauchmagen bevorzugt, ausser es gibt Gründe, die dagegen sprechen.

Bei einem geplanten Kaiserschnitt kann zusätzlich zum Gynäkologen ein Chirurg anwesend sein, um eventuelle Komplikationen zu vermeiden. In Bern arbeitet die swiss1chirurgie Praxis (Dr. Zehetner und Dr. Steffen) mit den Gynäkologen im Salemspital Hirslanden zusammen. Durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit können dadurch Probleme frühzeitig erkannt und vermieden werden.

Die Entwicklung der Übergewichts-Chirurgie (Bariatrie)

Spezialisierung in der Chirurgie

Alle 10 Jahre findet eine Spezialisierung innerhalb der Chirurgie statt. Begonnen hat es vor fast 100 Jahren, als sich aus der Chirurgie die ersten verschiedenen Fachrichtungen abspalteten. Die Urologie, die Gynäkologie, die Orthopädie, die Traumatologie und die Allgemeinchirurgie.

Aus den Chirurgen, die alles machen wie Knochenbrüche reparieren, Unfälle, Routine Baucheingriffe sowie Krebschirurgie wurden im Laufe der Jahre verschiedene Spezialisten für die unterschiedlichen Fachrichtungen. In den 1970er Jahren kam es dann zu einer weiteren Spezialisierung: die Herzchirurgie, Gefässchirurgie und Thoraxchirurgie entwickelten sich. In den 1980er Jahren nannte man dann die Chirurgie der Bauchorgane die Viszeralchirurgie.

Auch innerhalb der Viszeralchirurgie kam es zu einer weiteren Spezialisierung, in die Upper-GI oder Foregut Chirurgie (Oberbauchorgane wie Speiseröhre und Magen), die hepatobiliäre Chirurgie (Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse) und die kolorektale Chirurgie (Dickdarm, Enddarm).

Durch die laparoskopische Chirurgie in den 1990er Jahren wurde auch die Übergewichtschirurgie immer mehr verbreitet. Innerhalb der Oberbauchchirurgie entwickelte sich die Bariatrische Chirurgie zu einer eigenen Fachrichtung. In den USA gibt es für Chirurgen verschiedene Spezialausbildungen, welche „fellowships“ genannt werden. Diese Ausbildungen im Spezialfach dauern in der Regel 1-2 Jahre.

Prof. Dr. Zehetner von der swiss1chirurgie Praxis in Bern ist der einzige Chirurg in der Schweiz, welcher zwei solcher „fellowships“ in seiner Ausbildung hatte und diese an der University of Southern California (USC) in Los Angeles absolvierte. Eines ist im Fachgebiet der Thoracic Foregut Surgery, also die Oberbauchchirurgie inklusive der Organe im Brustkorb, wie der Speiseröhre; ein weiteres ein „fellowship“ in der Übergewichtschirurgie. Dieses ist von der ASMBS anerkannt (ASMBS= American Society for Metabolic and Bariatric Surgery).

Jedes Jahr organisiert die ASMBS den grössten Bariatrie Kongress der Welt. Der nächste ist im November 2019 in Las Vegas, USA. Während oft chirurgische und medizinische Kongresse getrennt sind, wird dieser organisiert als „Obesity Week“, in Kombination also mit Internisten, Endokrinologen, Psychologen und Ernährungsberatern. Somit werden hier fachübergreifende Forschungen präsentiert und Wissen ausgetauscht in dieser schlussendlich doch noch jungen Fachrichtung.

Immer noch wissen wir nicht genug über die Ursachen des Übergewichts, noch haben wir die ideale medikamentöse Therapie nicht gefunden, welche das Problem auf einen Schlag löst. Auch die chirurgischen Therapien und ihre Lösungsansätze verpflichten den Patienten und den nachbetreuenden Arzt zu einer lebenslangen Zusammenarbeit.

Im Zentrum für bariatrische Chirurgie ist eine solche interdisziplinäre Zusammenarbeit Alltag. Hier arbeiten Internisten, Chirurgen, Psychologen und Ernährungsberater zusammen an einem Spezialgebiet, der Bariatrie.